„Sokotra: Auf der Insel der Glückseligkeit“.
Artikel aus der Rhein-Neckar Zeitung vom 12. Januar 2025.
Drachenblutbäume auf schroffen Hochplateaus, blühende Flaschenbäume in brütend heißen Canyons, riesige Sanddünen: Die Natur des entlegenen Sokotra Archipels im Indischen Ozean ist einzigartig. Mehr als eintausend Pflanzen- und Tierarten sind endemisch / Von Marc Vorsatz.
Der erste Eindruck ist ernüchternd. Das soll also „Insel der Glückseligkeit“ sein? So die Übersetzung des Inselnamens Sokotra, dessen Ursprung im Sanskrit vermutet wird. Die Inselhauptstadt Hadibu, knapp 10 000 Einwohner, empfängt den Besucher mit einer schier unvorstellbaren Menge an Plastikmüll. Es gibt kaum ein Fleckchen Erde, wo keine Tüten oder platt getretenen Flaschen herumliegen.
Nach Erledigung der obligatorischen Permits geht es endlich mit geländegängigen Jeeps auf die Küstenstraße Richtung Camp. Aus den Lautsprechern tönt fremdartige Musik. Gesungen wird auf Soqotri, der alten Inselsprache ohne Schrift, die langsam der arabischen weicht. Die Lieder klingen nach Sehnsucht und Exotik und machen neugierig.
Als die Hauptstadt Hadibu auf Miniaturgröße geschrumpft ist, zeigt sich die Natur von ihrer grandiosen Seite. Linker Hand der Indische Ozean in betörendem Türkisblau, rechter Hand steil aufragende Felswände, an deren Ocker sich bis zu 200 Meter hohe feinsandige Dünen türmen, in denen so mancher deutsche Fernsehturm komplett verschwinden würde. Was für ein gewaltiger Anblick!
Vor dem kleinen Zeltlager am Strand patrouilliert eine Schule Großer Tümmler in Ufernähe, fast als ob die Delphine die Neuankömmlinge begrüßen wollten. Darf es noch ein bisschen mehr sein? Ja, vielleicht Schnorcheln in der geschützten Bucht. Blutrote Federsterne auf orangefarbenen Gorgonien, die im glasklaren Wasser zu tanzen scheinen, ein großer Schwarm silbrig glänzender Stachelmakrelen, der keinerlei Angst vor diesen ungelenken Gestalten mit Schnorcheln zeigt, ein recht geschäftig wirkender kleiner Rotmaul-Zackenbarsch über Hartkorallen…
Sie alle geben einen winzig kleinen Einblick in das überbordende maritime Leben des Sokotra-Archipels, bestehend aus der Hauptinsel Sokotra und drei kleinen Nebeninseln, das fast allen Menschen verborgen bleibt. Eine Tauchbasis gibt es nicht, wie auch sonst keinerlei touristische Infrastruktur außerhalb von Hadibu. „Vor Sokotra treffen wechselnde Meeresströmungen der ostafrikanischen Küste, des Arabischen Meeres und des offenen Indischen Ozeans aufeinander, die eine einzigartige biologische Vielfalt hervorbrachten, die noch am Anfang ihrer Erforschung steht“, erklärt Dr. Uwe Zajonz, Meeresbiologe am Frankfurter Senckenberg Forschungsinstitut.
Doch es war der österreichische Tauchpionier, Zoologe und Dokumentarfilmer Hans Hass, der erstmals 1957 die nahezu unbekannte Unterwasserwelt erkundete und die Inselgruppe ins Schaufenster der Weltöffentlichkeit hievte. Durch Zufall. Denn auf dem Weg vom französischen Cannes zu den Malediven havarierte sein elegantes Forschungsschiff, der Dreimastschoner „Xarifa“, in den schwierigen Gewässern vor Sokotra. Als einzigartig und faszinierend präsentiert sich das Unesco Biosphärenre- servat und Weltnaturerbe auch an Land, das sich am besten auf einer Trekkingtour erkunden lässt.
Im Gegensatz zur Unterwasserwelt waren die vier Inseln 20 Millionen Jahre weitestgehend isoliert – bis vor wenigen Jahren ein See- und Flughafen gebaut wurden. Wind und Wetter formten eine bizarr anmutende Landschaft, die Evolution erschuf über 1.000 endemische Tier- und Pflanzenarten. 37 Prozent der Pflanzen- und 90 Prozent der Reptilienarten sowie sämtliche Süßwasserfische leben beispielsweise nur dort. Der Slogan „Galapagos des Indischen Ozean“ kommt nicht von ungefähr. „Aus evolutionsbiologischer Sicht ist der entlegene Archipel im Indischen Ozean durchaus vergleichbar mit dem des Pazifiks“, so Zajonz.
Wer auch nur einen Bruchteil dieser Vielfalt zu Gesicht bekommen möchte, erhält nichts geschenkt. Per aspera ad astra. Ein rauer Weg führt zu den Sternen – und zu den urzeitlichen Sokotra-Drachenblutbäumen, unter denen Ziegenhirten mit ihren Herden Schatten finden. Diese merkwürdig anmutenden, pilzförmigen Gewächse sind – natürlich – ebenfalls endemisch.
„Aus ihrem tiefroten Harz stellen wir seit Menschengedenken blutstillende Medizin, Färbemittel und kostbaren Weihrauch her“, verrät Naturführer Nasim. „Viele Sokotri sagen dem Harz gar magische Kräfte nach.“ Im Hier und Jetzt sind sie stolze Botschafter einer Urzeit, als an den Menschen noch ewig nicht zu denken war. Symbol und Sinnbild einer aus der Zeit gefallenen Insel. Der einzige Drachenblutbaum-Wald der Welt wächst auf dem entlegenen Firmhin-Plateau, 600 Meter über dem Meer. Er ist das wohl beliebteste Fotomotiv der wenigen Ökotouristen aus Europa und Amerika.
Zwischen Strand und dem Fermhin-Plateau liegt eine Ausnahmelandschaft mit zerklüfteten Karst- und Tafelbergen und atemberaubend tiefen Canyons. Der Abstieg in die brütend heißen Wadis ist steil und selbst mit leichtem Tagesrucksack ziemlich schweißtreibend. Ohne die Kamele, die das große Gepäck, die Zelte und Küchenausrüstung auf weiten Umwegen zum nächsten Nachtlager tragen, würde es nicht gehen. Die Anstrengung lohnt. Links und rechts der halsbrecherischen Pfade blühen endemische Flaschenbäume, die an mannshohe afrikanische Affenbrotbäume mit aufgeblähtem Stamm und langen Wurzeln auf kahlem Fels erinnern. Wüstenrosen nennt sie der Volksmund hier wegen ihrer betörend schönen, roten Blüten.
Der Naturpool im Homhil Schutzgebiet mit seinem phänomenalen Panoramablick auf den Indischen Ozean ist so etwas wie das Epizentrum des Inseltourismus. Hier trifft man sich, tauscht sich aus, nimmt ein kühlendes Bad. Zu Stoßzeiten können schon mal 15 oder gar 20 Wanderer zusammenkommen. Ansonsten sieht man unterwegs höchstens mal einen Hirten oder neugierige Kinder mit fein geschnittenen Gesichtern. Woher sie kommen, wohin sie gehen und wo sie wohnen, wird ihr Geheimnis bleiben.
Informationen:
An- und Einreise: Kurios: Sokotra wird jeden Dienstag ab Abu Dhabi von Air Arabia bedient. Da es sich aber um einen Regierungscharter handelt, taucht dieser in keinem offiziellen Flugplan auf und ist für Individualreisende vorab nicht zu buchen. Deutsche Reiseveranstalter haben Zugriff auf Kontingente. Visum erforderlich, Abwicklung über Veranstalter.
Angebote:
Das Galapagos des Indischen Ozeans heißt die Trekkingreise von Diamir Erlebnisreisen. Acht Tage mit Hadibu, Di Hamri, Homhil, Hoq Höhle, Arher, Hayf & Zahek Dünen, Aomak, Fermhin Drachen- blutbaumwald inkl. Flug, Unterkunft in Hotel, Zelt. Campingausrüstung während Trekking, Verpflegung, Guides, Permits ab 3.990 EUR. Auch eine entspannte Variante ohne Trekking ist buchbar.
Sokotra – Drachenblutbäume und Wüstenrosen: Schwimmen, Schnorcheln, Bootstour, Wanderungen im Inselinneren; inkl. Flug ab/bis Abu Dhabi, Programm, Guide, Unterkunft Zelt und Guesthouse, Verpflegung ab 2.760 EUR bei Orientaltours in Frankfurt/M. (https://orientaltours.de/).
Sicherheit:
Sokotra steht seit 2018 unter dem Protektorat der traditionell eng verbundenen Vereinigten Arabischen Emirate. Obwohl die Insel offiziell noch zum Jemen gehört, hat dieser die militärische und politische Macht dort verloren. Die Kriminalität ist verschwindend gering, Einheimische ausgesprochen offen und freundlich zu Touristen.
(Anmerkung: für den gesamten Jemen gilt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.
Stand: 01/2025).
© Rhein-Neckar-Zeitung
Vielen Dank für die Fotos an Autor Marc Vorsatz, der uns den Artikel freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
Fotos: Archiv Orientaltours, Thorsten Hansen, Marc Vorsatz.
Zu unseren Orientaltours Sokotra-Reisen geht es hier:
https://orientaltours.de/reise/30/sokotra-inseln/


Auf dem Firmhin Plateau auf der Insel Sokotra wächst der einzige Drachenblutbaum-Wald der Welt. Sokotra liegt etwa 200 Kilometer vor der nordsomalischen Küste. Foto: Vorsatz.










